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Studentin aus Ungarn wird erste „Auslandsdeutsche des Jahres“

Die deutschsprachigen Medien im Ausland haben im Oktober erstmals dazu aufgerufen, sich für die weltweite Wahl zur „Auslandsdeutschen des Jahres“ zu bewerben. Beworben haben sich Frauen aus aller Welt. Vier von ihnen kamen ins Finale. Ausschlaggebend bei diesem Wettbewerb war nicht die Schönheit der Teilnehmerinnen, sondern vor allem ihr Engagement für die eigene Kultur. Im Finale konkurrierten eine Deutschbrasilianerin, eine Deutschaustralierin, eine deutschstämmige Mennonitin aus Paraguay und eine Ungarndeutsche miteinander.

Die Abstimmung lief bis zum 10. Dezember. Nun ist die Auszählung abgeschlossen. Siegerin ist die Ungarndeutsche Viktória Nagy. Sie erhielt rund 60% der abgegebenen Stimmen aus aller Welt. Besonders viele Stimmen kamen aus Deutschland, Osteuropa, Südamerika, Nordamerika, Australien und Österreich.

Die Siegerin Viktória Nagy (22) ist Ungarin mit deutschen Wurzeln mütterlicherseits. Ihre Vorfahren kamen mit den Zügen der Donauschwaben in der Zeit von Maria Theresia nach Südosteuropa. Bis heute wird in ihrem Elternhaus auch Deutsch gesprochen. Sie engagiert sich in ihrer nordungarischen Heimatregion westlich von Budapest einerseits politisch in der deutschen Minderheitenselbstverwaltung und andererseits kulturell in der Leitung einer großen donauschwäbischen Tanzgruppe. Für ihre Mittänzer organisiert sie beispielsweise Auftritte im Ausland. Um ihr sprachliches Erbe weitergeben zu können, studiert sie in Budapest das Spezialfach „Deutsch als Minderheitensprache“ auf Lehramt.

Björn Akstinat, Leiter des Netzwerks der deutschsprachigen Auslandsmedien (IMH-Internationale Medienhilfe): „Der Wettbewerb war ein voller Erfolg und wird in Zukunft weitergeführt. Die Aktion soll speziell die jüngeren weiblichen Mitglieder der deutschen Gemeinschaften und Minderheiten rund um den Globus für ihre bisherigen Aktivitäten belohnen bzw. für eine Mithilfe in deutschen Vereinen und sonstigen Institutionen motivieren. In vielen deutschen Vereinigungen im Ausland sind jüngere Leute noch unterrepräsentiert. Ziel des Wettbewerbs ist außerdem, in Deutschland auf die großen kulturellen Leistungen und Traditionen der Auslandsdeutschen stärker aufmerksam zu machen. Viele Bürger der Bundesrepublik wissen so gut wie nichts von den deutschen Minderheiten weltweit, da diese im Unterricht der Schulen und Hochschulen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen kaum thematisiert werden. Die ungarndeutsche Studentin Viktória Nagy ist für den besonderen Titel „Auslandsdeutsche des Jahres 2017/18“ gut geeignet und hat eine positive Vorbildfunktion für die junge Generation der deutschen Minderheiten Osteuropas. Heute leben noch über 200.000 Deutschstämmige in Ungarn. Mehrere Orte haben dort sogar zweisprachige Straßenschilder. Die IMH hat in Ungarn viele Mitgliedspublikationen wie zum Beispiel die wöchentliche deutschsprachige „Neue Zeitung“ aus Budapest, für die Viktória Nagy auch schon einige Artikel verfasst hat.“

Porträts der drei weiteren Finalistinnen:

Isabel (Deutschbrasilianerin)

Isabel Pitz (30) lebt im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina, in dem die deutschstämmigen Einwanderer samt ihrer Kultur sehr auffällig sind. Deutsch ist immer noch die zweithäufigste Muttersprache Brasiliens, obwohl ihr Gebrauch lange Zeit von der Regierung unterdrückt und sogar verboten wurde. Isabels Vorfahren kamen um 1828 aus dem Hunsrück in Südwestdeutschland nach Santa Catarina und gehörten zu den Gründern der ersten deutschen Siedlungen dort. In ihrer Familie wird bis heute die Mundart aus dem Hunsrück gesprochen. Hochdeutsch hat sich Isabel selbst neu beigebracht. Sie betreibt intensiv Ahnenforschung und ist begeistert von der Kultur ihrer Vorfahren. Deshalb baute sie unter dem Namen „Deutschbrasischland“ eine Internetpräsenz und eine Facebook-Seite auf. Bei Facebook folgen ihr mittlerweile rund 50.000 Menschen, die sich regelmäßig über das Neueste in der deutsch-brasilianischen Szene informieren möchten. Außerdem beteiligt sie sich aktiv an der Arbeit eines deutschen Vereins bei der Organisation von Festen und Umzügen für Deutschstämmige.

Anne (Deutschaustralierin)

Anne Mckenzie (34) ist in der ostdeutschen Lausitz geboren. Während ihres Studiums der Fächer „Deutsch als Fremdsprache“ und „Publizistik“ in Berlin lernte sie einen Australier kennen, mit dem sie nach Südaustralien, ins Barossa-Tal bei Adelaide, auswanderte. Das Tal ist seit dem 19. Jahrhundert ein traditionelles Siedlungsgebiet deutscher Einwanderer. Sie möchte mithelfen, das deutsche Erbe der Region zu erhalten. Dafür engagiert sie sich im Sprachverein „Barossa German Language Association Inc.“, wo sie Kindern – unter anderem ihren zwei eigenen – spielerisch die deutsche Sprache näherbringt, die Internetseite pflegt und die Vereinszeitschrift „Das Blatt“ herausgibt. An der Schule der Deutschen Sprache e.V. in Adelaide unterrichtet sie zudem Erwachsene.

Michaela Bergen (deutschstämmige Mennonitin aus Paraguay)

Michaela (38) lebt in einer vor 80 Jahren gegründeten mennonitischen Kolonie und Agrarkooperative im Zentrum von Paraguay namens „Friesland“. Ihre Muttersprache ist Plattdeutsch, weil ihre Vorfahren aus Friesland an der Nordsee stammen, wo sie sich der evangelischen Glaubensgemeinschaft von Menno Simons angeschlossen hatten. Auf der Suche nach freien religiösen Entfaltungsmöglichkeiten wanderten die Ahnen zunächst nach Russland. Durch den Kommunismus wurde das Leben dort unerträglich und sie zogen weiter – erst zurück nach Deutschland und dann nach Paraguay. Die Mennoniten bewahren die hochdeutsche bzw. plattdeutsche Sprache im Ausland seit Jahrhunderten als Teil ihrer Religion. Deutsch ist Umgangssprache in der Kolonie, Unterrichtssprache der dortigen Schule und die Sprache der Medien: einer Zeitschrift und einer Radiostation. Michaela half bei der Gründung des Senders und arbeitet in der Redaktion der monatlichen Zeitschrift „Friesland Informationsblatt“. 2013 initiierte sie zusammen mit einem anderen Mennoniten die „Plattdeutsche Medienkonferenz“, die seitdem alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfindet. Zu den Treffen versammeln sich Mennoniten und Sprachinteressierte aus aller Welt, um Aktionen zur Bewahrung und Förderung der plattdeutschen Sprache im Ausland zu starten und zu koordinieren. 2017 organisierte Michaela die Konferenz in einer Mennoniten-Siedlung in Mexiko.